Reisebericht Japan 2025, Kawanehon

Reiseberichte  /  16. April 2025
Besuch bei unserer Produzentin in Kawanehon, 11.-12. April 2025. Wunderschöne Teegärten an steilen Hängen, von einem kleinen Familienbetrieb artisanal hergestellte Sencha jeweils rein aus verschiedenen Teepflanzenvarietäten

Shizuoka, das grösste japanische Teeanbaugebiet mit Spezialitäten in den Hügeln

Die Präfektur Shizuoka ist das grösste japanische Teeanbaugebiet. Auf der Ebene zwischen Küste und den Hügeln im Hinterland wird grossflächig Tee angebaut, mit grossen Maschinen geerntet und grösstenteils zu tief gedämpftem Fukamushi Sencha verarbeitet. Shizuoka ist auch der grösste Teemarktplatz, grosse Firmen respektive Endverarbeiter (ProduzentInnen von Shiagecha) kaufen auch Tee aus anderen Regionen, um Sencha-Mischungen herzustellen. Doch das ist nicht was uns interessiert, klar. Shizuoka ist auch eines der wichtigsten Zentren der Forschung und Entwicklung im Zusammenhang mit Tee; dazu später.

Die Teeregion Shizuoka ist für uns spannend, weil es in den Hügeln hinter dem Flachland unzählige KleinproduzentInnen gibt, die wirklich gute Sencha (und auch andere Tees) herstellen: obwohl natürlich auch diese Tees alle maschinell verarbeitet werden, kann hier von artisanaler Teeproduktion gesprochen werden. Es sind Kleinproduktionen von klassischen Shizuoka-Sencha: die Blätter stammen aus unbeschatteten Teegärten an steilen Hängen, sie werden kurz gedämpft, zu schönen Nadeln geformt und sanft getrocknet, bleiben also ohne starke Röstaromen. Die Tees werden meistens separat nach Teepflanzenvarietät verarbeitet, oft sogar von Hand gepflückt - japanisch Tesumi. Natürlich wird auch hier ein Grossteil der Menge maschinell gepflückt. Allerdings werden hier kleine Handmaschinen eingesetzt: zu zweit wird eine Art Heckenschere über die Buschreihe gezogen; die geschnittenen Blätter und Stengel landen in einem Sack, der idealerweise von einer dritten Person gehalten wird. Mit den grossen Maschinen ist es unmöglich respektive gefährlich, an steilen Hänge zu ernten.

Die Landschaft mit den Teegärten von Tsuchiya in Kawanehon

Traditionelle Teegärten mit Chagusaba

Beim ersten Besuch in Shizuoka im Jahr 2017 hatten wir genau solche ProduzentInnen gesucht. Bei den Besuchen vor Ort ist uns ganz klar Tsuchiya No-en aufgefallen. Ein kleiner Familienbetrieb, sehr sympathisch, der wunderbare, richtig gute Sencha produziert. Seither haben wir Jahr für Jahr von ihnen Tee bezogen, mittlerweile führen wir ein schönes Sortiment von Tees aus ihren Teegärten.

Nach dem Besuch in der Teestadt Uji führt uns unser zweiter Besuch auf der diesjährigen Reise zur Familie Tsuchiya in Kawanehon. Wir werden empfangen und sogleich von Tsuchiya Yuko und ihrem Mann Kazuaki durch die Teegärten geführt, die an den Hängen unterhalb und links des Hauses liegen. Einmal mehr freuen wir uns, hier zu sein, es sind wirklich die schönsten japanischen Teegärten, die ich kenne. Zwischen den Teebuschreihen liegt getrocknetes schilfartiges Gras, eine alte Chagusaba genannte landwirtschaftliche Methode, welche Feuchtigkeit im Boden hält, vor Kälte schützt und grundsätzlich die Bodenqualität stärkt. Unkraut kann gar nicht erst wachsen. Das Gras zersetzt sich, die Nährstoffe fungieren als Dünger, die Mikroorganismen lockern den Boden auf. Auch der im Sommer und Herbst ausgebrachte Dünger für die Teepflanzen wird durch das Gras besser im Boden gehalten. Das Gras wird rund um die Teegärten angebaut, was zu einer hohen Biodiversität beiträgt.

Zwischen die Teebuschreihen wird getrocknetes Gras gelegt. Diese Methode namens Chagusaba wurde 2013 zu einem Globally Important Agricultural Heritage System ernannt

Teetrinken und Erzählen über das Buch-Projekt

Als Übersetzerin ist eine Japanese Tea Instructor aus Shizuoka dabei. Sie hat unter anderem mit Nishikawa Hiroshi gearbeitet, den ich bei unserem letzten Besuch hier im Jahr 2023 kennengelernt hatte. Sie hilft vor allem bei der Verständigung über teetechnische Fragen, und wir sind froh, ist die Übersetzerin eine teefachkundige Person. Im Eingangsraum des Hauses, wo ein tiefer Tisch um eine Feuerstelle herum gebaut ist, knien wir am Boden. Yuko-san bereitet einige Tees zu; es sind wirklich aussergewöhnlich gute Sencha. Diese Tees zusammen mit der Produzentin, inmitten der Teegärten zu trinken macht die Tees selbstverständlich noch besser. Wir erzählen über das Projekt, ein Teebuch über Japan zu schreiben und zeigen das mitgebrachte Exemplar unseres Teebuches über China Gongfucha, was auch hier Freude und Staunen auslöst. Es gebe in Japan schon Bücher über Tee, aber sie seien alle so dünn und überhaupt nicht schön.

Das Wetter ist bewölkt bis windig, am Abend zuvor hat es heftig gewittert. Wir essen deshalb unsere am Vormittag gelieferte Bento-Box am Teetisch, die Übersetzerin hat ein Brötchen dabei, Yuko holt zwei Onigiri (Reisbällchen) aus der Küche und setzt sich zu uns.

Nach dem Essen fahren wir hinunter ins Tal nach Kaminagao, wo Tsuchiya eine kleine Parzelle mit Teepflanzen der Varietät Inaguchi bewirtschaftet. Hier verabschieden wir die Übersetzerin, die an einer japanischen Teezeremonie in Shizuoka teilnimmt.

Robuste Teepflanzen, Moose und Flechten im Unterholz - die Teeblätter werden auch von Hirschen gerne gegessen // Teegarten mit Inaguchi-Teepflanzen

Besuch im Tea Research Center und an der malerischen Eisenbahnbrücke

Yuko fährt uns zum Shizuoka Tea Research Center in Kikugawa. Das Gebäude wurde neu Gebaut und gerade letzte Woche eröffnet; das Institut besteht an diesem Ort allerdings schon seit 113 Jahren. Neu ernannter Deputy Director General respektive Forschungsbeauftragter ist der oben bereits erwähnte Nishikawa Hiroshi. Den ihm Vorgesetzten Direktor kennt Yuko ebenfalls. Die Teewelt ist klein. Wir werden durch das Haus und zu den Experimentier-Teefeldern geführt. Hier werden neue Teepflanzenkultivare gezüchtet, was ungefähr 30 Jahre dauert. Mithilfe genetischer Untersuchungen soll es möglich werden, in nur 15 Jahren einen neuen Teepflanzenkultivar zu entwickeln. Es werden diverse Forschungen durchgeführt, etwa zur Frage, wie fest der Teegeschmack auf Konzentrationen bestimmter Inhaltsstoffe zurückzuführen sind - also Teefachwissen, welches von TeeverarbeiterInnen und TeeverkosterInnen sensorisch entwickelt wurde, naturwissenschaftlich nachzuweisen. In der dazugehörigen Teefabrik stehen dieselben Maschinen wie anderswo in Japan - nur in einem viel kleineren Masstab, um mit wenig Menge experimentieren zu können.

Am nächsten Tag scheint die Sonne und wir dürfen auf der Terrasse über den Teegärten Tee trinken, einmal Zairai, einmal Koshun. Wir finden es unglaublich spannend, wie sich Tees vom selben Ort aus verschiedenen Teepflanzenvarietäten respektive Kultivaren unterscheiden. Gerade auch deshalb verkaufen wir fünf von den Tees von Tsuchiya als Set. Zum Mittagessen werden wir von Yuko und Kazu zu Nudelsuppe im Restaurant im Dorf eingeladen, später werden wir bis zum Stausee oben im Tal gefahren, wo es eine malerische Eisenbahnbrücke über den See auf eine Halbinsel gibt, eine in ganz Japan berühmte Aussicht.

Neues Gebäude des Tea Research Institute, Versuchsteegärten mit unzähligen Teepflanzenvarietäten, Stecklinge // Unbeschattetet Büsche für Tesumicha, handgepflückten Tee und Büsche der alten Sorte Zairai mit dem Ehepaar Tsuchiya // Picknick mit Tee und japanischen Süssigkeiten auf der Terrasse sowie die Eisenbahnbrücke über den Stausee
Besuche in Kawanehon in früheren Jahren

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Kaspar Lange, April 2025